FirmenPorträt: Zu Gast bei Seidel Props

Nach Abschluss des Studiums beschäftigte ich mich mit der Berechnung und Konstruktion von Luftschrauben, der parametrischen Beschreibung von Blattgeometrien usw. Bei meinen Leistungsberechnungen habe ich mich an die theoretischen Grundlagen von Professor Larrabee aus den USA gehalten. Ziel war immer, für ein vorgegebenes Flugzeug eine möglichst gute Kombination aus Antrieb und Luftschraube zu finden. Nach wie vor wird ein gutes Verhältnis zur FH Augsburg gepflegt, insbesondere zu Prof. E. Müller-Horsche. Verschiedene von mir gestellte Diplomarbeitsthemen – wie z. B. die Entwicklung einer dynamisch verstellbaren Propellereinheit, der Aufbau eines Propellerprüfstands mit Messeinrichtungen oder verschiedene Schnittstellenprogramme für die Propellerkonstruktion – wurden inzwischen von engagierten Studenten ausgearbeitet.
MFI: Was waren für dich die wichtigsten Erkenntnisse aus deinen Versuchen?
M.S.: Ich habe damals über 130 der am Markt gängigen Klapp- und Starrpropeller vermessen. Ich war überrascht, als ich herausfand, dass z. B. manche Luftschrauben für kleinere Verbrenner oft nur einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 % hatten. Es  gab jedoch auch Luftschrauben, die immerhin bis zu 60 % Wirkungsgrad aufwiesen. Andererseits stellte ich fest, dass dieser hohe Wirkungsgrad oft nur für eine bestimmte Größe aus einer Serie zutraf, während andere Größen im Wirkungsgrad deutlich abfielen. Eine der grundsätzlichen Lehren war, dass der Wirkungsgrad von Propellern bei gleicher Eingangsleistung mit dem Durchmesser zunimmt; ebenso sind hohe Steigungen und geringe Drehzahlen vorteilhaft. Findet man hier optimale Werte, kann man im Modellbau durchaus in den 70 %-Bereich vorstoßen. Übrigens hat der Propeller des Experimentalflugzeugs MUSCULAIR, das von Menschenkraft angetrieben wird, einen Wirkungsgrad von 87 %. Ein Traumwert!
MFI: Da wir schon beim Thema Leistung sind: Viele Modellbauer sind der Ansicht, dass der Standschub Rückschlüsse auf die Leistung eines Propellers zulässt. Ist das zutreffend?
M.S.: Hier muss man ganz klar sagen: nein. Ich habe wiederholt die Erfahrung gemacht, dass Modellbauer die Begriffe Wirkungsgrad, Standschub und Leistung in einen Topf werfen. Das ist ein Irrweg. Um Aussagen zum Wirkungsgrad einer Luftschraube zu machen, fehlt bei der Standschubmessung eine entscheidende Messgröße: die Fluggeschwindigkeit. Um ein Bild zu verwenden: Eine Luftschraube schraubt sich wie eine Gewindeschraube mit jeder Umdrehung nach vorne. Aber es gibt einen zentralen Unterschied zwischen einer Gewindeschraube und einem Propeller: Eine Gewindeschraube hat einen immer gleich bleibenden Fortschritt pro Umdrehung. Beim Propeller ist der Fortschritt variabel. Zudem ist er für eine bestimmte Fluggeschwindigkeit optimiert.
Im Klartext heißt dies, dass der Standschub keine Aussage darüber zulässt, welche Leistung ein Propeller im Flug liefert. Wähle ich für einen gegebenen Motor einen Propeller mit großem Durchmesser und wenig Steigung, erhalte ich so etwas wie einen Traktor. Bei geringer Geschwindigkeit wird viel gezogen, der Standschub ist hoch. Allerdings geht diesem Propeller im Flug schon bald der Schub aus. Wenn man so will, kann man sagen: Er kommt dem Flugzeug nicht mehr hinterher! Wähle ich das andere Extrem und verwende einen Propeller mit geringerem Durchmesser und hoher Steigung, erhalten wir, sagen wir mal, eine flotte Limousine. Das Gerät hat einen niedrigen Standschub, aber der Propeller hat im Flug die höhere Leistung, was zu deutlich höheren Endgeschwindigkeiten führt.
MFI: Kunden suchen natürlich immer den optimalen Propeller für ihr Modell. Wie gehst du vor, um den zu finden?
M.S.: Ich verwende umfangreiche Software, um den richtigen Propeller zu entwerfen und herzustellen. Zunächst werden bei einer Anfrage die Motordaten eingegeben. Hier sind die gewünschte Drehzahl und das Drehmoment von besonderer Bedeutung. Weiterhin werden Blattanzahl, Durchmesser und Fluggeschwindigkeit vorgegeben. Damit sind die zentralen Berechnungsvorgaben festgelegt. Ergebnisse dieser Berechnungen sind die optimierte Steigung, der Wirkungsgrad und der Schub bei der Auslegungsfluggeschwindigkeit. Die Umfangsgeschwindigkeit der Blattspitzen wird ebenso ermittelt, die aus Lärmschutz- und Wirkungsgradgründen 0,8 Mach nicht überschreiten soll.
Das Programm erstellt einen ersten 3D-Blattentwurf, aus dem sich mit etwas Erfahrung schon Rückschlüsse auf die Güte der Luftschraube ziehen lassen. Mit diesen Erkenntnissen gehen wir in den Geometrieteil der Rechensoftware über. Je nach Kundenwunsch wird entweder ein erprobter Blattentwurf für reine Wirkungsgradoptimierung verwendet oder aus dem stetig wachsenden Fundus an Scale-Blattformen der entsprechende Flugzeugtyp ausgewählt. Alle geometrischen Eigenschaften des Blatts wie Tiefe, Dicke, Anstellwinkel und Holmlinien lassen sich parametrisch vorgeben. Neben den aerodynamischen Eigenschaften werden natürlich auch die Steifigkeit des Blatts, der an den Spitzen induzierte Widerstand und andere Dinge beachtet. Das Ergebnis dieser Berechnungen ist ein komplett dreidimensionales Propellerblatt, dessen Querschnitte ins 3D-CAD-Programm übertragen werden. …

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